Die E-Mail landet plötzlich in Ihrem Posteingang. Der Absender: Ihr wichtigster Kunde. Der Betreff: „Anfrage zur Nachhaltigkeitsleistung unserer Lieferanten“. Im Anhang: ein seitenlanges Dokument voller Fragen zu CO₂-Emissionen, Arbeitsbedingungen und Unternehmensethik.
Ihre erste Reaktion? Wahrscheinlich leichte Panik und die Frage: „Wo soll ich all diese Daten hernehmen?“
Atmen Sie tief durch. Diese Anfrage ist keine lästige Pflicht. Sie ist Ihre Eintrittskarte, um sich als moderner, verlässlicher und zukunftsfähiger Partner zu positionieren. Sie ist die Chance, den Auftrag nicht nur zu behalten, sondern Ihre Kundenbeziehung auf ein neues Level zu heben.
Und das Beste: Die Europäische Union hat Ihnen dafür den perfekten Spickzettel an die Hand gegeben – den freiwilligen Standard für die Nachhaltigkeitsberichterstattung von KMU (VSME). Wir zeigen Ihnen, wie Sie ihn nutzen, um souverän zu antworten und zu punkten.
Warum Ihr Kunde plötzlich zum „Öko-Prüfer“ wird
Zuerst das Wichtigste: Ihr Kunde will Sie nicht ärgern. Er steht selbst unter massivem Druck. Durch die neue EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) sind große Unternehmen gezwungen, detailliert über ihre gesamte Wertschöpfungskette zu berichten.
Und diese Wertschöpfungskette – das sind Sie!
Stellen Sie es sich wie einen Wasserfall vor: Die Berichtspflicht der Großen fließt direkt zu ihren Lieferanten – den kleinen und mittleren Unternehmen – hinab. Wer jetzt die richtigen Antworten liefern kann, bleibt im Geschäft. Wer zögert oder keine Daten hat, wird über kurz oder lang als Risiko eingestuft und möglicherweise ausgetauscht.
Ihre Geheimwaffe: Das VSME-Basismodul – die perfekte Antwortstruktur
Sie müssen das Rad nicht neu erfinden oder einen teuren Berater engagieren. Der VSME-Standard wurde exakt für diese Situation entwickelt. Er ist ein von der EU empfohlener, standardisierter Baukasten, der speziell auf die begrenzten Ressourcen von KMU zugeschnitten ist.
Für die Beantwortung von Kundenanfragen ist das Basismodul (Angaben B1-B11) Ihre Goldgrube. Es fragt genau die Informationen ab, die Ihr Kunde für seine eigene Berichterstattung benötigt. Es ist im Grunde die universelle Antwort auf 90 % aller ESG-Fragebögen. So wurde der VSME Standard konzipiert und soll eine einheitliche Antwort auf die Fragen von Kunden, Banken und Investoren dienen.
Die souveräne Antwort: Ihre Checkliste in 3 Schritten
Vergessen Sie den langen Fragebogen Ihres Kunden für einen Moment. Konzentrieren Sie sich darauf, die folgenden drei Datenpakete aus dem VSME-Basismodul zusammenzustellen. Damit haben Sie eine solide Basis für jede Anfrage.
Das sind die Stammdaten, die Visitenkarte Ihres Unternehmens. Sie zeigen, dass Sie strukturiert arbeiten und Ihre Hausaufgaben gemacht haben. Tragen Sie einfach zusammen:
- Rechtsform, Branche (NACE-Code)
- Bilanzsumme und Umsatzerlöse
- Zahl der Beschäftigten (als Köpfe oder Vollzeitäquivalente)
- Hauptstandorte
Diese Informationen haben Sie ohnehin griffbereit. Sie in einem Dokument zu bündeln, ist der einfachste erste Schritt und schafft sofort einen professionellen Eindruck.
Hier wird es konkret, aber keine Sorge, das ist einfacher als es klingt. Konzentrieren Sie sich auf die Daten, die Sie leicht beschaffen können:
- Energieverbrauch (B3): Ihr Stromanbieter ist Ihr bester Freund. Ein Blick auf die Jahresabrechnung genügt meistens, um den Gesamtverbrauch in kWh anzugeben.
- THG-Emissionen (B3): Für den Anfang reichen Scope 1 (z. B. Verbrauch von Heizöl, Gas, Benzin/Diesel für den Fuhrpark) und Scope 2 (der eingekaufte Strom). Viele Energieversorger weisen die damit verbundenen CO₂-Emissionen bereits auf der Rechnung aus.
- Abfall (B7): Ihr Entsorgungsunternehmen stellt Ihnen sicher eine Jahresübersicht zur Verfügung, die das Gesamtaufkommen und die verschiedenen Abfallarten (z.B. Restmüll, Papier, Kunststoff) auflistet.
Der Trick ist: Sie müssen kein Umweltinstitut sein. Zeigen Sie, dass Sie Ihre wichtigsten Verbräuche kennen und messen. Das allein ist schon ein riesiger Schritt.
Nachhaltigkeit ist mehr als Umweltschutz. Zeigen Sie, dass Sie ein verantwortungsvoller Arbeitgeber sind. Diese Daten hat Ihre HR-Abteilung oder Lohnbuchhaltung schnell parat:
- Mitarbeiterstruktur (B8): Anzahl der Mitarbeiter nach Geschlecht und Vertragsart (befristet/unbefristet). Das zeigt Stabilität und Fairness.
- Arbeitssicherheit (B9): Die Anzahl der meldepflichtigen Arbeitsunfälle. Eine niedrige Zahl ist ein starkes Qualitätsmerkmal.
- Faire Vergütung & Weiterbildung (B10): Geben Sie an, ob Sie mindestens Mindestlohn zahlen (selbstverständlich, aber wichtig zu dokumentieren) und wie viele Schulungsstunden Ihre Mitarbeiter im Schnitt erhalten.
Die ESG-Anfrage Ihres Großkunden ist kein Test, den Sie fürchten müssen. Sie ist eine offene Tür. Mit dem VSME-Standard als Leitfaden können Sie nicht nur souverän antworten, sondern beweisen, dass Ihr Unternehmen bereit für die Zukunft ist.
Nutzen Sie diese Chance. Denn in der Wirtschaft von morgen werden die Partner bevorzugt, die nicht nur über Qualität und Preis, sondern auch über ihre Verantwortung Rechenschaft ablegen können.